Motoki Tonn Motoki Tonn

Der feine Grat zwischen gesunder und toxischer Resilienz

Dr. Aditi Nerurkar unterscheidet in ihrem Buch “The 5 Resets” zwischen gesunder Resilienz, die persönliche Grenzen wahrt und Erholungsphasen betont, und toxischer Resilienz, die Produktivität über alles stellt. Diese Unterscheidung ist entscheidend, um die Nuancen in der modernen Arbeitswelt zu verstehen und zu adressieren.


Die Bedeutung von gesunder Resilienz

Resilienz ist für uns mehr als nur ein Begriff; es ist eine Passion. Über die Jahre hinweg haben wir uns der Entwicklung von Trainings in den Bereichen adaptive Resilienz bis hin zu Anti-Fragilität verschrieben und diese in Firmen integriert. Unsere Expertise haben wir auf zahlreichen Konferenzen, Resilienz-Kongressen und in akademischen Institutionen geteilt.


Herausforderungen im Resilienz-Sektor

Trotz des positiven Trends, Resilienz in den Unternehmensalltag zu integrieren, begegnen wir einer beunruhigenden Entwicklung. Das wachsende Angebot an Resilienz-Trainings und -Programmen birgt das Risiko einer Simplifizierung des Konzepts: "Fühlst du Druck? Dann stärke deine Resilienz." Diese Vereinfachung missachtet jedoch die Komplexität menschlicher Belastungsgrenzen.

 
 

Toxische und gesunde Resilienz. Darstellung von: www.lumen-partners.com

 
 

Gesundheit und Krankheit: Ein Spektrum

Die Dichotomie von Gesundheit und Krankheit, tief verwurzelt in unserer Kultur, führt oft zu Missverständnissen. Das Gesundheitssystem, fokussiert auf Diagnose und Behandlung, vernachlässigt Präventions- und Nachsorgemaßnahmen, die für eine ganzheitliche Gesundheitsförderung unerlässlich sind.


Salutogenese: Ein alternativer Ansatz

Aaron Antonovsky's Salutogenese-Konzept bietet einen Weg, Gesundheit als einen kontinuierlichen Prozess zu verstehen, der über die einfache Abwesenheit von Krankheit hinausgeht. Die Prinzipien der Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Sinnhaftigkeit bilden die Grundlage für ein Kohärenzgefühl, welches die Basis für langfristige Gesundheit darstellt.

 
 
 
 

Gesunde vs. Toxische Resilienz

Dr. Aditi Nerurkar unterscheidet in ihrem Buch “The 5 Resets” zwischen gesunder Resilienz, die persönliche Grenzen wahrt und Erholungsphasen betont, und toxischer Resilienz, die Produktivität über alles stellt. Diese Unterscheidung ist entscheidend, um die Nuancen in der modernen Arbeitswelt zu verstehen und zu adressieren.

Dr. Nerurkar betont, dass es bei Resilienz nicht darum geht, ständig Unbehagen zu ertragen, sondern vielmehr darum, unsere angeborene Fähigkeit zur Erholung mit dem Bedürfnis nach Ruhe und Erholung in Einklang zu bringen.
Mit ihrem Ansatz eröffnet Dr. Nerurkar eine neue Perspektive auf das berühmte und oft missverstandene Zitat von Friedrich Nietzsche: “Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie”. Dieses Zitat ist im Kontext der Gegenwart zu verstehen.

 
 
 
 

Maßnahmen gegen toxische Resilienz

Wenn Sie Narrative der toxischen Resilienz vermeiden möchten, bedenken Sie:

  • Kultur des Wohlbefindens etablieren: Das Wohlergehen der Mitarbeitenden sollte im Mittelpunkt der Unternehmenskultur und -strategie stehen.

  • Unterstützende Programme anbieten: Programme, die auf einem positiven Menschenbild beruhen und die Selbstwirksamkeit stärken, sind essenziell.

  • Regelmäßige Check-ins durchführen: Durch kontinuierliche Gespräche und realistische Arbeitsbelastungsprüfungen kann Über- und Unterforderung vermieden werden.

  • Team-Health-Checks implementieren: Regelmäßige Gesundheitschecks auf Teamebene fördern ein empathisches Umfeld, das Stressbewältigung und psychisches Wohlbefinden priorisiert.

  • Offene Kommunikation fördern: Mitarbeitende sollten ermutigt werden, ihre Bedenken zu äußern, unterstützt durch interne und externe Anlaufstellen.


Wie wir vorgehen, um toxische Resilienz zu vermeiden

Unsere Trainingsprogramme wie Search Inside Yourself, Time To Think und Adaptive Resilienz schaffen Räume, in denen wir individuell auf die Bedürfnisse der Teilnehmenden eingehen können. Durch den diskursiven Austausch können wir hören und spüren, ob die Teilnehmenden ungesunden Narrativen folgen, die letztlich nicht zu einem gesunden Aufbau von Resilienz führen. Durch unsere umfangreiche Ausbildung und Erfahrung im Bereich Stress- und Traumabewältigung können wir frühzeitig auf Teilnehmende eingehen, die eine andere Intervention benötigen als ein offenes Trainingsprogramm in einer Gruppensituation.

Weiterlesen
Motoki Tonn Motoki Tonn

Wie fördern Sinn und Bedeutung unsere Resilienz?

Wenn wir auf der einen Seite Sinn und Bedeutung mit Ikigai finden, gibt uns Kintsugi auf der anderen Seite die Möglichkeit, mit Rückschlägen umzugehen.


Darüber sprach Motoki Tonn beim Resilienz Kongress 2023

Motoki zufolge steht in diesem Zusammenhang das japanische Thema Ikigai auf der einen Seite (Was unser Leben lebenswert macht) und Kintsugi (der Umgang mit Brüchen) auf der anderen Seite.

Resilienz wird häufig als das Immunsystem der Seele beschrieben.

Die moderne Stressforschung (Kelly McGonigal u.a.) sagt uns, dass die Jagd nach Sinn und Bedeutung viel bedeutsamer ist, als die Vermeidung von Stressoren.

Wenn wir auf der einen Seite Sinn und Bedeutung mit Ikigai finden, gibt uns Kintsugi auf der anderen Seite die Möglichkeit, mit Rückschlägen umzugehen. Indem wir uns von dem Gedanken von Perfektion verabschieden, gewinnen wir die Kraft und Ressourcen, um uns unseren Brüchen bewusster zuzuwenden.

Durch Ikigai gewinnen wir ein Bewusstsein für Sinn – durch Kintsugi gewinnen wir eine kraftvolle Metapher für Brüche im Leben. 

Sie möchten mehr erfahren?
Im folgenden Video stellen wir ihnen die gesamte Keynote zur Verfügung:

 
 

Mehr zu Ikigai und Kintsugi finden Sie auf unserer Website von Finde Zukunft.

Ein Paket mit allen Vorträgen kann im Nachhinein auf der Website des Kongresses erworben werden:

Weiterlesen
Motoki Tonn Motoki Tonn

Resilient im Homeoffice

Heimarbeit hatten viele Unternehmen früher nur in Ausnahmefällen. Seit 2020 ist dies nun genau anders herum: Es ist für viele die Ausnahme, im Büro zu sein. So geht es gut 48 % bei großen Unternehmen, die am Computer ihre Arbeit verrichten. Die neue Flexibilität ist für die einen schön und zugleich bemerken viele, dass das Homeoffice hat auch seine Herausforderungen mit sich bringt. Der Artikel gibt Tipps für ein digital resilientes Arbeiten aus dem Homeoffice.


Wie können wir digital resilient von zu Hause aus arbeiten?

Viele Unternehmen, die wir begleiten, hatten Heimarbeit nur in Ausnahmefällen zugelassen. Seit 2020 ist dies nun genau anders herum: Es scheint fast die Ausnahme zu sein, wenn wir noch ins Büro kommen. So geht es gut 48% der Mitarbeitenden in großen Unternehmen, welche ihre Arbeit am Computer verrichten (DAK Studie, Feb. 2021). Für viele ist die neue Flexibilität hilfreich, doch zugleich bemerken sie: Das Homeoffice hat auch seine Herausforderungen.

  • Virtuelle Meetings finden am Stück statt. Es gibt kaum Pausen dazwischen.

  • Der schöne Café Talk in der Büroküche entfällt.

  • Kinder oder Mitbewohner:innen sind gegebenenfalls mit uns im gleichen Raum anwesend.

  • Wer nimmt eigentlich die Post entgegen? Wer geht zur Tür wenn es klingelt und wir im Meeting sitzen?

  • Privates und Berufliches verschwimmen.

  • Das Wohnzimmer fühlt sich wie das Büro an.

Dabei hat der Anteil virtueller Konferenzen erheblich zugenommen. Zwischen 2019 und 2021 hat sich unsere Zeit, die wir in virtuellen Konferenzen verbringen, mehr als verdoppelt.

Auch wenn viele Befragte sagen, dass sie im Homeoffice produktiver arbeiten können (2021), vermissen viele den Austausch mit anderen. Zudem sind schnelle Absprachen nicht immer möglich und es fehlt das informelle Wissensmanagement auf den Fluren, in Pausen, bei der Mittagszeit und beim Kaffeetrinken.

Was wir für unsere digitale Resilienz tun können

Tatsächlich gibt es einfache Dinge, die uns schon helfen können, den digitalen Stress (“Techno-Stress”) im Homeoffice zu senken. Viele davon sind einfacher, als wir denken:

  • Wechseln Sie ihren Kontext
    Spaziergänge vor und nach der Arbeit: Abgesehen von Bedeutung von UV-Licht für unser Wohlbefinden können wir so gezielter Abstand von der Arbeit gewinnen und uns mental “ein- und auschecken". Der Faktor, dass im Homeoffice die Grenzen zwischen Privat- und Berufsleben verschwinden, ist nicht zu unterschätzen. Wir nutzen Raum und Geräte (Laptop, Mobiltelefone) nun für alles.

  • Begrenzen Sie die Arbeit
    Während der Pandemie haben viele Mitarbeitende mehr gearbeitet. Teilweise um Produktivität zu kompensieren und immer wieder auch, da sie keine Begrenzung der Arbeitszeit hatten (Frauenhofer Studie 2021). Stellen Sie sich Wecker, wann Sie spätestens die Arbeit beenden wollen. Nutzen Sie ggf. Zweitgeräte für die Arbeit und trennen Sie berufliche und private Kommunikation (E-Mails, Messenger, WhatsApp, Signal).

  • Schaffen Sie eine gute akustische Umgebung
    Eine der größten Stressquellen von virtuellen Meetings sind schlechte Soundqualität auf beiden Seiten: Zum einen können Sie für andere bessere Voraussetzungen schaffen, indem Sie ein einfaches Headset oder Mikrofon benutzen, zugleich können Sie für eine gute akustische Situation sorgen, wenn Sie es vermieden, in zu lauten oder halligen Räumen ihre Meetings abzuhalten. Noch besser: Sie setzen ein Headset ein, nehmen immer wieder Abstand vom Computer und schauen regelmäßig aus dem Fenster oder gehen an die frische Luft. Die Empfehlung ist: Alle 20 Minuten für 20 Sekunden 20 Meter weit aus dem Fenster schauen.

  • Entzerren Sie ihre Meetings
    Bitten Sie um Pausen oder um Verkürzung von Meetings, wenn Sie nahtlos aneinander terminiert sind. Wir alle benötigen Pausen um effektiv zu arbeiten. Die Faustregel lautet: Wir benötigen 15 Minuten für einen Kontextwechsel. Erst dann können wir uns auf Neues einlassen.

  • Vermeiden Sie Multitasking
    Studien aus Kalifornien zeigen uns, dass wir während der Pandemie gelernt haben, während virtueller Meetings noch eine Vielzahl anderer Dinge zu erledigen. Im Jahr 2022 betreiben demnach 52 % mehr Multitasking während virtuellen Meetings, als 2021. Multitasking ist höchster Stress für uns. Unsere Aufmerksamkeit ist unser höchstes Gut. Multitasking produziert das Gefühl, sehr beschäftigt zu sein. In Wirklichkeit werden wir jedoch unproduktiver.

Wenn wir denken, dass wir Multitasking machen, machen wir in Wirklichkeit Multiswitching. Darin ist unser Gehirn sehr gut – die Aufmerksamkeit schnell von einem Ort zum nächsten zu lenken. Wir denken, wir seien produktiv. Wir sind in der Tat sehr beschäftigt. Aber in Wirklichkeit machen wir uns nur zusätzliche Arbeit.
— Michael Harris
  • Fördern Sie “Deep Work”
    Unsere Fähigkeit wertschöpfend zu arbeiten, ist von besonderer Bedeutung. Wir können in tiefer Arbeit intellektuelle Ergebnisse hervorbringen, die von Gewinn für uns und unsere Organisationen sind. Die Voraussetzung dafür ist, dass wir uns aufmerksam in “tiefe Arbeit” begeben können. Dies ist nur möglich, wenn wir über eine längere Zeitspanne ungestört arbeiten können. Dies ist im Büro einer großen Organisation teilweise schwierig. Zugleich haben erste Firmen begonnen, “Meeting-freie” Tage einzuführen. Im Homeoffice sollte tiefe Arbeit grundsätzlich möglich sein, wenn ich nicht gerade kleine Kinder oder andere um mich herum betreuen muss.

    • Wenn es Ihnen möglich ist, blocken Sie sich Arbeitszeiten für tiefe Arbeit, in der Sie Konzepte, Artikel, usw. schreiben können.

    • Stimmen Sie “Deep Work” Zeitfenster im Team ab.

    • Stellen Sie Ihr Telefon in den Fokus- oder Flugzeug-Modus.

    • Schalten Sie sich auf “nicht erreichbar” bei Messengern wie Slack.


    Jetzt sind Sie dran: Wenn Sie alle externen Vorkehrungen geschaffen haben, um “tiefe Arbeit” zu verrichten, können nur noch Sie selbst sich bei der tiefen Arbeit ablenken.

    Nir Eyal betont in seinem Buch “Indistractable”, dass häufig nicht die Technologie und nicht die Social Media Plattformen an unserer Ablenkung schuld seien, sondern wir selbst. Etwa, wenn wir gelangweilt oder zu ungeduldig sind. Wenn dies eine Herausforderung ist, lesen Sie doch gerne in den Beiträgen zu Nomophobia und den Tipps für mehr digitale Resilienz dazu weiter.


Nachweise und Literaturempfehlungen:

Weiterlesen
Motoki Tonn Motoki Tonn

9 einfache Tipps für mehr digitale Resilienz

Im Beitrag über Nomophobia haben wir uns angeschaut, wie gefährlich digitale Medien und unsere Mobiltelefone sein können. Hier geben wir 7 einfache Tipps für mehr Resilienz und digitale Selbstbestimmung im Angesicht von der Allverfügbarkeit von Social Media Apps und digitalen Technologien.


Im Blog-Beitrag über Nomophobia haben wir uns angeschaut, wie gefährlich digitale Medien und unsere Mobiltelefone sein können. Dabei ist uns wichtig, zu betonen, dass die Technik nicht per-se “schlecht” ist. Die Technik ist immer so gut und so schlecht, wie wir mit ihr umgehen.

Ich glaube, dass Romane, die die Technik weglassen, das Leben genauso falsch darstellen, wie die Viktorianer das Leben falsch darstellten, indem sie den Sex wegließen.
— Kurt Vonnegut

Dennoch gibt es einige Dinge, die die Technik gefährlich machen können, so wie auch Drogen in guter Dosierung heilen und zugleich auch abhängig machen können. Tatsächlich bedienen sich Online-Spiele und Social Media Plattformen Mechanismen, die wir aus dem Glücksspiel kennen. Sie werden nicht ohne Grund mit einarmigen Banditen verglichen, die wir aus Spielcasinos kennen.


Diese menschlichen Schwächen nutzen digitale Medien

Der Grund für den Vergleich mit Glücksautomaten ist simpel:

Unvorhersehbares lockt uns
Wir reagieren auf Unvorhergesehenes stärker als auf klar bestimmbare Ereignisse. Deswegen spüren wir den Drang, nach neuen Nachrichten, Emails, Likes, usw. zu schauen. Das Mobiltelefon ist eine wunderbare Maschine mit vielen Apps, die genau das alles bedienen – und uns sogar zeigen, wie viele Nachrichten und Updates auf uns warten. Dies ist eine große Einladung – und für manche eine Verführung oder perfekte Ablenkung. Finden wir dann neue Nachrichten und neue Likes, belohnt dies unser Hormonsystem mit Dopamin-Ausschüttung. Das Gefährliche: Wie bei Drogen und Glücksspiel gewöhnt sich unser Körper an diese Ausschüttung. Wir brauchen dann immer mehr Impulse, um wieder einen “Dopamin-Kick” zu bekommen. Dies führt bei Drogenkonsum zum Griff zu härteren Drogen, bei Online Spielen zu ununterbrochenem Spielen (bis zu 16-18 Stunden pro Tag), dem Verlust von sozialen Kontakten und vielem mehr. Bei Social Media führt dies zu einem regelmäßigen Nachschauen – derzeit schauen Erwachsene alle fünf Minuten auf ihr Mobiltelefon.

Endloses Scrollen
Die Social Media Plattformen sind besonders durch das Entfallen von echten Klicks durch die Nutzenden in die Kritik geraten. Dadurch können Nutzer:innen ohne Anstrengung endlos scrollen. Dies kritisiert der Erfinder heute selbst. 2006 konzipierte Aza Raskin für seine Firma Humanized “Endless Scrolling”. Sein Blogbeitrag kann hier heute noch abgerufen werden. Heute warnt Aza Raskin selbst vor dem endlosen Scrollen.

Wenn du deinem Gehirn keine Zeit gibst, deinen Impulsen nachzukommen, scrollst du einfach weiter nach unten.
— Aza Raskin

Die Animation stammt von Claudio Scotto auf Dribble.

Das endlose Scrollen profitiert vom sogenannten “Unit Bias” Effekt: Als Menschen sind wir von Natur aus motiviert, eine Einheit zu vollenden. Der Entwicklungspsychologe Brian D. Little spricht auch davon, dass wir “Zielerreichungsmaschinen” sind. Wir leben und denken in Projekten und funktionieren mit Zielen – auch wenn wir das nicht immer für wahr halten. Deswegen locken uns auch Apps und Programme zur Optimierung unserer Produktivität. Beim endlosen Scrollen nehmen wir an, dass die Menge die uns angezeigt wird, genau die richtige ist, um unsere Ziele zu erreichen. Doch sie enden nie – da die Menge der angebotenen Inhalte unendlich ist, surfen wir weiter, um alles zu konsumieren.


Die Social Media Plattformen wissen, was wir suchen

Bei einem Besuch bei Facebook in Dublin erfuhren wir, dass bei einem Login von uns auf der Plattform etwa 4.000 Skripte ausgelöst werden. Facebook steuert sehr genau, was wir sehen. Unter allen unseren Kontakten, Abonnements und Gruppen, denen wir beigetreten sind, wählt Facebook je nach Tageszeit genau aus, was wir sehen sollen. Wenn wir also nachts nicht schlafen können und auf Facebook oder Instagram nach Ablenkung suchen, müssen wir uns nicht wundern, wenn wir Werbeangebote von Apps erhalten, die uns beim Einschlafen oder bei der Partnersuche helfen sollen. Durch unser Nutzerverhalten lassen wir die Plattformen sehr genau wissen:

  1. Welche Bilder und Videos wir länger anschauen

  2. Welche Profile wir mögen

  3. Welche Anzeigen wir länger betrachten – ohne auf sie zu klicken

  4. Mit wem wir im engen Austausch sind

  5. Wen oder was wir mögen.

Damit ist es den Plattformen möglich, uns ein optimales Buffet zu präsentieren, dass genau unserem Geschmack und unseren Bedürfnissen – oder Verlangen – entspricht.

Noch nie zuvor hatte eine Handvoll Tech-Designer eine solche Kontrolle über die Art und Weise, wie Milliarden von uns denken, handeln und unser Leben leben.
— "Das soziale Dilemma". Netflix Dokumentation.


Was uns hilft

Eine Menge von herausfordernden Nachrichten. Schauen wir, was uns helfen kann.
Hier sind einfache Tipps und Life-Hacks, um den digitalen Maschinen mit einer gehörigen Portion Autonomie und digitalen Selbstbestimmung entgegen zu treten:

  1. Schalte dein Mobiltelefon auf schwarz-weiß.
    So einfach es klingt, tatsächlich hilft es uns, wenn wir den Konsum begrenzen wollen, digitalen Medien nicht so attraktiv zu gestalten. Dies vermindert die Dopamin Reaktion unseres Hormonsystems. Bei den aktuellen Versionen von iOS (Einstellungen > Farbfilter) und Android (Entwicklereinstellungen) gibt es die Möglichkeit, dass Mobiltelefon auf monochrom umzustellen. Es ist ein Versuch wert.

  2. Lösche nicht die Apps

    Für eine kurze Zeit mag uns das Abmelden (relativ wirksam) oder das Löschen (wenig wirksam) von Apps, die unsere Aufmerksamkeit ziehen, helfen. Doch Studien zeigen, dass es sich wie bei Diäten vollzieht. Nach einiger Zeit kehren die meisten Nutzer:innen wieder zurück – und damit auch das alte Verhalten. Wirksamer ist es, dem Verlangen nachzugeben und die Erfahrung zu reflektieren oder das Verlangen einfach für einige Minuten (10) aufzuschieben – um dann häufig festzustellen, dass es gar nicht mehr so stark vorhanden ist.

  3. Nutze einen Kekstresor

    Das klingt wie ein Scherz, aber wenn nichts mehr hilft, helfen uns Tresore tatsächlich. Du kannst dein Mobiltelefon bewusst wegsperren und so dein Verhalten steuern. Noch effektiver: Reflektiere über die Erfahrung. Beobachte mit einem Journal deine Gedanken und Emotionen. Diese Technik entstammt der “Acceptance und Commitment Therapie” von Steven Hayes.

  4. Unser Online Verhalten dokumentieren

    Tatsächlich ist eine der einfachsten Therapieformen das Tagebuchschreiben. Prof. James W. Pennebaker hat dies bereits vor über 30 Jahren erforscht. Seitdem haben viele Studien seine Ergebnisse bestätigt. Seine Empfehlungen lauten:


    Schreibe an drei bis vier aufeinanderfolgenden Tagen für etwa 20 Minuten über

    1. dein Verhalten,

    2. deine Motivation,

    3. deine Gefühle – was dich bedrückt, was dich unruhig macht, was dir Freude bereitet,

    4. wofür du dankbar bist und

    5. was deine Herausforderungen sind.

  5. Die Gründe hinter den Gründen erforschen
    Um unsere wahre Emotion (siehe Punkt 6: ehrlich sein) zu ergründen, können wir die Methode nutzen, so oft nach dem “Warum” zu fragen, wie es nötig ist, um eine Emotion zu erreichen. Häufig wird dies beim fünften “Warum” der Fall sein. Diese Technik wurde aus dem Toyota-Produktionssystem übernommen und von Taiichi Ohno als 5-Whys-Methode beschrieben. Taiichi Ohno schrieb, dass sie “die Grundlage von Toyotas wissenschaftlichem Ansatz ist. Indem man das Warum? fünfmal wiederholt, wird die Art des Problems und seine Lösung klar.”

  6. Ehrlich sein
    Niemandem hilft es, wenn wir nicht ehrlich zu uns sind. Ehrlichkeit und immer wieder das Fragen nach dem “Warum”.

  7. Achtsam und besonnen mit uns selbst umgehen
    Wenn es mal nicht gut geht, sollten wir uns nicht gleich verurteilen – das ist für den Aufbau von neuen, gesunden Gewohnheiten sowie für das Ablegen von alten Gewohnheiten, hinderlich. Dagegen hilft:

  8. Mit dem Scheitern rechnen. Beim Aufbau von neuen Gewohnheiten hilft es uns, wenn wir nicht zu optimistisch heran gehen und mit dem Scheitern rechnen. Die Empfehlung lautet sogar: es sich einmal mental vorzustellen und es intensiv zu durchleben.

  9. Langsam atmen
    Studien zeigen, dass langsames Atmen – unter 10 Atemzüge pro Minute – direkte Auswirkungen auf unser vegetatives Nervensystem hat. Dies können wir in einer Einheit von 10 Minuten üben, in dem wir mehr und mehr unseren Atem beruhigen. Wozu langsames Atmen?

  • es aktiviert unser parasympathisches Nervensystem

  • beruhigt uns bei Stresssituationen

  • führt zu einer verbesserten Herzratenvariabilität, die in Verbindung mit unserer Selbstkontrolle steht

  • es verbessert als Resultat die Exekutivfunktionen unseres prefrontalen Kortex, der maßgeblich für die Rationalität, Motivation und Steuerung von Entscheidungen zuständig ist. Er wird auch “Regisseur im Gehirn“ genannt – kurzum, der prefrontale Kortex kann uns daran erinnern, welche langfristigen Ziele wir verfolgen und warum wir diese Entscheidung so oder so treffen sollten. Wird er nicht angesprochen, reagiert eher unser ältestes Gehirnareal (das limbische System, in dem sich auch die Amygdala befindet), dass vornehmlich durch impulshafte Emotionen und “Begehrlichkeiten” angesteuert wird. In den ersten Minuten einer Amygdala Reaktion schaltet diese sogar die Exekutivfunktion des prefrontalen Kortex “aus”, sie legt ihn gewissermaßen “lahm”. Langsames Atmen hilft uns, eine ausgeglichene Kommunikation zwischen prefrontalen Kortex und limbischen System herzustellen.

Die Forschung zeigt, dass Menschen, die glauben, sie hätten die meiste Willenskraft, in Wirklichkeit am ehesten die Kontrolle verlieren, wenn sie in Versuchung geraten. So werden zum Beispiel Raucher, die am optimistischsten sind was ihre Fähigkeit angeht der Versuchung zu widerstehen, vier Monate später am ehesten rückfällig und überoptimistische Diätwillige nehmen am wenigsten ab. Warum? Sie können nicht vorhersagen, wann, wo und warum sie nachgeben werden. Sie setzen sich mehr Versuchungen aus.
— Kelly McGonigal
 
 
Die größten Feinde der Willenskraft: Versuchung, Selbstkritik und Stress. (...) Diese drei Fähigkeiten - Selbsterkenntnis, Selbstfürsorge und das Erinnern an das Wichtigste - sind die Grundlage für Selbstbeherrschung.
— Dr. Kelly McGonigal
 

Nachweise und Literaturempfehlungen

  1. Hayes, S. C., Strosahl, K., & Wilson, K. G. (2016). Acceptance and commitment therapy: The process and practice of mindful change.

  2. McGonigal, K., & Dixon, W. (2019). The Willpower Instinct: How Self-Control Works, Why It Matters, and What You Can Do To Get More of It.

  3. Goodin, T. (2021). My Brain Has Too Many Tabs Open: How to Untangle Our Relationship with Tech. Minneapolis: Quarto Publishing Group UK.

  4. Koukouletsos, Kostas & Moustris, Kostas & Paliatsos, Athanasios. (2014). The impact of long scrolling web pages on users.

  5. MLA: Houston, Jackie. "The Dangers of the Endless Scroll: Social Media use as a Mental.." University Wire, 04 Oct, 2016.

  6. Zaccaro A, Piarulli A, Laurino M, Garbella E, Menicucci D, Neri B and Gemignani A (2018) How Breath-Control Can Change Your Life: A Systematic Review on Psycho-Physiological Correlates of Slow Breathing.

Weiterlesen
Motoki Tonn Motoki Tonn

Nomophobia und was wir tun können

Was ist Nomophobia und wie kann ich lernen, damit umzugehen?


“Ihre Kinder müssen das iPad also lieben?”, fragte der Reporter der New York Times. “Sie haben es noch nie benutzt”, antwortete Steve Jobs.

Erst kürzlich haben wir “Digital Consultants” in Fragen von Resilienz und digitaler Arbeit trainiert. Dabei war es erstaunlich für uns zu beobachten, wie konsequent alle Teilnehmenden das Mobiltelefon während der Trainingseinheiten zur Seite legten. Zugleich waren wir noch erstaunter darüber, wie sekundenschnell der Griff nach dem Smartphones in den Pausen erfolgte. Nahezu ohne jeglichen Abstand war der Blick sofort wieder auf das Geschehen und die neuesten Nachrichten auf dem Smartphone gerichtet. Ist dies das neue Normal – oder nicht mehr normal?

Damit beschäftigt sich einerseits die digitale Ethik und zugleich auch die Verhaltensforschung. Wir kennen eine Reihe von Abhängigkeiten und Süchten. Süchte können unbemerkt und schleichend entstehen. Häufig sind die “Drogen” dabei reguliert, wie etwas beim Konsum von Tabak und Alkohol oder beim Glücksspiel. Viele vermeintlich leichte Abhängigkeiten und Süchte werden jedoch pönalisiert, dazu gehören Sex-, Shopping- oder auch die Online-Spielsucht. Maressa Hecht Orzack, klinische Psychologin am McLean Hospital in Massachusetts, hat dargelegt, dass bis zu 40 Prozent der SpielerInnen des Online-Spiels “World of Warcraft” süchtig sind.

Ab wann sind wir abhängig vom Smartphone? Damit beschäftigt sich die Forschung zu “Nomophobia”.

Weil wir die Welt von einem Ort der Knappheit in einen Ort des überwältigenden Überflusses verwandelt haben: Drogen, Essen, Nachrichten, Glücksspiel, Shopping, Spiele, SMS, Sexting, Facebook, Instagram, YouTubing, Tweets ... die Anzahl, Vielfalt und Potenz der hochgradig lohnenden Reize ist heute atemberaubend. Das Smartphone ist die moderne Injektionsnadel, die rund um die Uhr digitales Dopamin für eine vernetzte Generation liefert.
— Dr. Anna Lembke

Was Nomophobia bedeutet

Der Begriff NOMOPHOBIA oder NO MObile PHOne PhoBIA wird verwendet, um einen psychologischen Zustand zu beschreiben, bei dem Menschen Angst davor haben, von ihrem Smartphone oder der Mobilfunkverbindung getrennt zu sein. Der Begriff Nomophobia basiert auf den Definitionen des Diagnostischen und Statistischen Handbuch Psychischer Störungen (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, DSM) und wird als “Phobie vor einem bestimmten Gegenstand” bezeichnet.


Wie Nomophobia auftritt

Nomophobia tritt bei vielen NutzerInnen von Mobiltelefonen unbemerkt auf und wird häufig nicht als psychische oder neurotische Störung wahr genommen. Die Effekte sind schleichend und können durch folgende Verhaltensweisen zutage treten:

  • Das Mobiltelefon wird an private und Stille Orte mitgenommen: Bad, WC, Schlafplatz u.a.

  • Das Mobiltelefon ist häufig und unbemerkt im Einsatz.

  • Betroffene werden nervös, wenn sie ihr Mobiltelefon verlegt haben, die Batterie schwach oder leer ist oder sie über keinen Mobilfunkempfang verfügen.


Nomophobia tritt in sichtbaren Formen von Stress auf. Betroffene berichten von:

  • Entzugserscheinungen, wie Nervosität, Ängsten und depressiver Stimmung

  • Unruhe und Drang nach dem Mobiltelefon

  • Beklemmung bei ausgeschaltetem Mobiltelefon

  • Schweißausbrüche, Zittern, Herzklopfen, Angstzustände und Panik bei Unerreichbarkeit

  • Gefühl der Nacktheit, wenn das Mobiltelefon zu Hause gelassen wurde


Es wird deutlich, dass sich bei Betroffenden von Nomophobia Stressphänomene wie bei anderen Suchterkrankungen zeigen. Für viele fehlt der Kontakt zur Außenwelt, die Bestätigung von der Außenwelt, wie etwa bei Social Media und die Belohnung (die zu Dopamin Ausschüttung führt) bei der Nutzung von Apps und Social Media.


“Gute” Bedingungen für Nomophobia

Forschende untersuchen bis heute förderliche Grundbedingungen für Nomophobia: Welche Bedingungen unterstützen Nomophobia im Besonderen? Daraus lassen sich im Umkehrschluss Maßnahmen ableiten, die Nomophobia verhindern oder mildern können. Hierbei zeigt sich, dass Nomophobia auch ein mediales Phänomen ist und mit der Angst, etwas zu verpassen (“Fear of Missing out”, FOMO) verbunden ist. Nach dem Stand der Forschung ist das Auftreten von Nomophobia verbunden mit:

  • unserer Persönlichkeitsstruktur

  • unserem Selbstbild und negativen Ansichten über uns (Negative Self-View)

  • Einsamkeit

  • geringer Lebenszufriedenheit

  • Schwierigkeiten in der zwischenmenschlichen Kommunikation

Weitere Zusammenhänge sind: Umfang der Internet-Nutzung, Einkommen, Urbanität.


Was Betroffene von Nomophobia tun können

Verzicht bei unkontrollierbarer Smartphone-Abhängigkeit
Wenn sich Nomophobia dauerhaft und psychotisch bemerkbar macht, hilft häufig nur der echte Entzug. Dies bedeutet ein vollständiger Verzicht für mindestens 3-4 Wochen. Solange braucht unser Organismus um die Ausschüttung von Hormonen wie von Dopamin wieder zu normalisieren.

Bewussten Umgang mit Smartphones üben
Wenn ich unter Symptomen von Nomophobia leide, mir aber zugleich noch ein bewusster Umgang mit Mobiltelefonen möglich ist, helfen andere Strategien, die wir der “Acceptance und Commitment Therapie” nach Steven Hayes entnehmen können. Wenn es mir noch möglich ist, eine Zeit bewusst ohne mein Mobiltelefon auszukommen, ich jedoch die Versuchung verspüre, das Mobiltelefon ohne konkrete Nutzungsabsicht (beispielsweise kein Telefonat, dass ich führen müsste) in die Hand zu nehmen, dann können zwei Strategien helfen:

  1. Dem Verlangen nachgehen:
    Ich gebe bewusst der “Versuchung” nach: Ich sage ja zu dem Impuls, jedoch reflektiere ich dabei mein Handeln. Im besten Fall gelingt es mir, mich selbst im Geschehen zu beobachten. Die Empfehlung ist dabei, dem Verlangen nachzugeben, jedoch die kognitive und emotionale Erfahrung dabei genau zu beobachten und sie festzuhalten, etwa durch ein Tagebuch (Journal). Die Gedanken und Gefühle können hier notiert werden. Dadurch können wir Abstand gewinnen und die Motive für unser Verlangen untersuchen. Zugleich können wir unser Verlangen besser einordnen und lassen es nicht zu “groß” werden. Wir können uns dadurch über das Gefühl der Beherrschbarkeit der eigenen Situation bewusst machen und erkennen, welche Handlungsmöglichkeiten uns offen stehen.

  2. Das Verlangen für eine kurze Zeit aufschieben: Die zweite Alternative ist simpel. Wir verschieben das Verlangen auf eine nicht zu lange Zeit. Etwa für zehn Minuten. Dies können wir uns auch explizit so zusagen: “in 10 Minuten schaue ich, ob ich das Verlangen noch habe.” Tatsächlich zeigt sich häufig, dass das Verlangen sein Mobiltelefon zu prüfen, zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr oder nicht mehr so stark vorhanden ist. Dadurch üben wir unsere Selbstkontrolle und werden uns unserer Autonomie bewusst. Auch diese Erfahrungen können in einem Tagebuch festgehalten werden.

Achtsamkeitsbasierte Interventionen praktizieren

Eine große Anzahl von Studien zeigen Zusammenhänge von unserer Fähigkeit zur emotionalen Regulation und Nomophobia auf: Unser emotionales Bewusstsein (Emotional Self-Awareness) und unsere emotionalen Regulationsfähigkeiten (Emotional Regulation, Emotionale Intelligenz) beeinflussen unsere Selbstkontrolle und damit die Fähigkeiten, die für einen gesunden Umgang mit digitalen Technologien entscheidend sind.

Hierzu stehen uns eine Reihe von achtsamkeitsbasierten Interventionen und Achtsamkeitspraktiken (Mindfulness-Based-Stress-Intervention, MBSI) zur Verfügung.

Die Ergebnisse zeigten, dass Achtsamkeit sowohl bei Männern als auch bei Frauen eine signifikant negative Korrelation mit Nomophobie aufweist. Je höher die Achtsamkeitswerte waren, desto weniger nomophobische Tendenzen zeigten die Probanden. Außerdem zeigten die Probanden mit niedrigeren Achtsamkeitswerten mehr Angst, wenn sie nicht kommunizieren konnten.
— Sahin Kesici et. al. A multi-group analysis of the effects of individual differences in mindfulness on nomophobia
 

10 Thesen und Empfehlungen von Dr. Anna Lembke

  1. Das unerbittliche Streben nach Vergnügen und das Vermeiden von Schmerz führt zu Schmerz.

  2. Genesung beginnt mit Abstinenz.

  3. Die Abstinenz stellt den Belohnungsweg des Gehirns wieder her und damit auch unsere Fähigkeit, Freude und einfachere Vergnügungen zu erleben.

  4. Die Selbstbindung schafft einen buchstäblichen und meta-kognitiven Raum zwischen Verlangen und Konsum – eine moderne Notwendigkeit in unserer Dopamin überladenen Welt.

  5. Medikamente können die Homöostase wiederherstellen. Aber bedenke, was wir verlieren, wenn wir unseren Schmerz weg medikamentieren.

  6. Wenn wir auf die Schmerzseite drücken, wird unser Gleichgewicht auf die Seite der Lust verlagert.

  7. Hüte dich davor, vom Schmerz süchtig zu werden.

  8. Radikale Ehrlichkeit fördert das Bewusstsein, stärkt die Intimität und fördert eine Fülle von Gedanken.

  9. Pro-soziale Scham bekräftigt, dass wir zum menschlichen Stamm gehören.

  10. Anstatt vor der Welt wegzulaufen, können wir ihr entkommen, indem wir in sie eintauchen.


Nachweise und Literaturempfehlungen

  1. Oggins, J., Sammis, J. Notions of Video Game Addiction and Their Relation to Self-Reported Addiction Among Players of World of Warcraft. Int J Ment Health Addiction

  2. Lembke, A. (2021). Dopamine nation: Finding balance in the age of indulgence. London: Headline.

  3. Hayes, S. C., Strosahl, K., & Wilson, K. G. (2016). Acceptance and commitment therapy: The process and practice of mindful change.

  4. Opinion: Mo rocca nomophobia. Osgood, C. and Rocca, M. (Directors). (2008). New York: Columbia Broadcasting System. https://search.alexanderstreet.com/view/work/bibliographic_entity%7Cvideo_work%7C3166754

  5. Ibrahim Arpaci & Selim Gundogan (2020) Mediating role of psychological resilience in the relationship between mindfulness and nomophobia, British Journal of Guidance & Counselling

Weiterlesen
Motoki Tonn Motoki Tonn

Potenziale entfalten und aus Krisen wachsen

Wenn eine Arbeit sinnvoll erlebt werden will, dann sollte sie tief sein. Durch Raum und Zeit kann sie Bedeutung entfalten.


Vergangenen Monat fand der jährliche Resilienz Kongress zum dritten Mal statt. Dieses Mal unter dem Titel: “Potenziale entfalten – aus Krisen wachsen”


6 volle Tage Resilienz-Wissen

In diesem Jahr begleiteten 65 Expert:innen die 15.951 Teilnehmer:innen.

Dabei waren Speaker:innen aus den verschiedensten Bereichen – von Business zum Life-Coaching, von der Therapie zur Prävention sowie viele weitere Impulse rund um das Thema Potenzialentfaltung und dem Erblühen aus Krisen.

Klaus Motoki Tonn wurde eingeladen einen Vortrag zu halten. Dabei entwickelte sich ein buntes und vielseitiges Gespräch mit Moderator Sebastian Mauritz, welches die Themen Flow, Resileinz und Deep Work sowie Ikigai, japanische Kalligraphie & Kintsugi abdeckte.

Wenn ich sinnvolle Arbeit erleben will, dann sollte sie tief sein. Ich brauche dafür Raum, ich brauche dafür Zeit, dann kann sie auch Bedeutung entfalten.
— Klaus Motoki Tonn
 
 
 
 

Dieses Modells zeigt, wie die drei Komponenten Flow, Deep Work und Resilienz miteinander verbunden sind. Der Zustand des Flows ist bedeutend um “Deep Work” zu erreichen. Im Zusammenhang mit Deep Work ist das Konzept des “Second Brains” zu erwähnen, welches wiederum eine Schleife zu Resilienz zieht.

Denn bei der Verwaltung unseres persönlichen Wissenspools, kann uns unser “Second Brain”, unser privater Wissensspeicher, entlasten. Jedoch sagt Motoki, dass diese digitale Wissensverwaltung noch nicht zu mehr Resilienz führt, da alles zu speichern wiederum zu einer Überforderung führen würde. Es geht darum, zu kategorisieren und nur die Inhalte zu verwalten, die Resonanz mit mir und meinen Werten erzeugen. Dann kann dieser Speicher ein Ort für Deep Work werden.


Ikigai, japanische Kalligraphie & Kintsugi

Die Muster, die uns immer wieder einholen und nicht loslassen – hierfür schafft Kintsugi eine neue Gestalt und eine Struktur. Das Konzept zeigt uns auf, das wir aus Zerbrochenem etwas wunderbares Neues schaffen können. Dabei ist zu beachten, dass das nicht von jetzt auf gleich geschehen kann, sondern mancher (Heilungs-)Prozess seine Zeit braucht. Diese Zeit sollten wir uns nehmen und nicht davon ausgehen, dass “wir Rom in drei Tagen erbauen können”.

Die Art wie man seinen Herausforderung begegnet ist zentral. Wir sollten nicht nach dem “warum” fragen, sondern nach dem “wozu” – was macht das mit mir? Was lehrt mich diese Erfahrung?

Mehr Informationen zu Kintsugi finden Sie hier.
Unseren Kintsugi-Film finden Sie hier.

Hier ist der gesamte Vortrag des Kongresses:

 
Weiterlesen
Motoki Tonn Motoki Tonn

Nathan Chen didn’t bring his phone to the Olympics

Eine kleine Lehre die wir von dem amerikanischen Eiskunstläufer im Zusammenhang mit digitaler Resilienz mitnehmen können.


Vergangenen Monat performte der amerikanische Eiskunstläufer Nathan Chen bei den Olympischen Spielen. Er legte einen überaus erfolgreichen Lauf hin und gewann. Doch viele seiner Fans interessierten sich für ein ganz anderes Detail, abseits des Wettkampfs:

Und zwar für den Fakt, dass der Leistungssportler sein Smartphone zu Hause ließ.

Wie unter anderem das Wall Street Journal berichtete, reiste Chen zu den Olympischen Spielen ohne sein Telefon an. Ihm zufolge, wolle er dem kognitiven Verlust entgehen, der durch den “Drang stundenlang durch die sozialen Medien zu scrollen”, verursacht wird.

Stattdessen hatte er seine Gitarre dabei und entschied sich, das “Dopamin-Hacking” durch qualitativ hochwertigere Freizeitaktivitäten zu ersetzen.

Die meisten von uns sind natürlich keine olympischen Athleten die sich bemühen, unmögliche Erwartungen zu erfüllen. Dennoch können wir alle aus Chens Handeln lernen:

Ein Leben, das in Abhängigkeit von einem kleinen, leuchtenden Bildschirm verbracht wird, ist kein Leben, in dem man sein Potenzial voll ausschöpft.

Vielleicht sollten auch wir in diesem Sinne einfach mal öfter “offline gehen”. Wer weiß welche Potenziale sich dann entdecken lassen.

Weiterlesen
Motoki Tonn Motoki Tonn

Digitaler Flow – Teil 2

Unser Arbeitsumfeld hat sich in den letzten zwei Jahren stark verändert, viele von uns haben einen enormen Anstieg von Online-Konferenzen und virtuellen Meetings erlebt. Dabei wird unsere Konzentrationsfähigkeit in einem hohen Maße beansprucht. Was kann man dagegen tun?

Digitale Resilienz & Flow im Team und in der Organisation

 

Während der erste Beitrag sich ausschließlich auf das Thema Flow bezogen hat, konzentriert sich Teil zwei darauf, wie wir diesen in unseren Teams und Organisationen erreichen können. Denn unser Arbeitsumfeld hat sich in den letzten zwei Jahren stark verändert, viele von uns haben einen enormen Anstieg von Online-Konferenzen und virtuellen Meetings erlebt.

Dabei wird unsere Konzentrationsfähigkeit in einem hohen Maße beansprucht, da wir:

  • auf einen Blick mehrere Gesichter und Mimiken gleichzeitig wahrnehmen müssen (einschließlich uns selbst)

  • nur einen kleinen Ausschnitt der handelnden Personen sehen können

  • uns selbst nur eingeschränkt bewegen können – wir sind gewissermaßen „festgeschnallt“ am Rechner, obgleich Bewegung den Stressabbauen erleichtern und Müdigkeit vermeiden würde


Hinzu kommt eine häufig schwache Ton- oder Videoqualität, die unsere Wahrnehmung und unser Verständnis/Einschätzung der Situation weiter erschwert.

Die sogenannte „Zoom Müdigkeit“ (engl. „Zoom Fatigue“) wurde durch viele Studien wiederholt bestätigt.

Was können wir gegen eine Zoom Müdigkeit tun?

1. Unsere Meetings effizienter gestalten
Ob digital oder analog, unsere Meetings benötigen eine klare Zielsetzung, die vorab schriftlich/elektronisch kommuniziert wurde und zu Beginn der Besprechung noch einmal spezifisch, klar und prägnant mündlich eingebracht wird.

  • eine entsprechend der Zielsetzung ausgestaltete Agenda,

  • eine realistische Zeitsetzung – sowohl für kurze Verspätungen als auch für ein nicht-hektisches Ende. Niemand verübelt es Ihnen, wenn Meetings vor Ablauf der Zeit enden. Planen Sie auch informelle Ein- und Auscheckzeiten bewusst ein,

  • eine Moderation und Protokoll,

  • eine gute Vorbereitung aller Beteiligten,

  • hinreichend Information und Vorlaufzeit zur Vorbereitung und eine strikte Zeitkontrolle,

  • eine Nachverfolgung offener Punkte – nichts ist demotivierender, als wenn wertvolle Meetingzeit und gute Ergebnisse keine Verwendung finden.


2. Ausreichend Pausen einplanen
Sowohl vor als auch zwischen und während der Meetings. Haben Sie eine Vielzahl von Meetings, die ohne Unterbrechung aneinander gereiht stattfinden? Dann sorgen Sie bitte für eine entsprechende Umplanung auf Zeiten wie beispielsweise 10:15 Uhr die allen ermöglicht, Pausen einzuplanen.

 

3. Etablierung klarer Meetingregeln

  • Wir hören einander zu. Zuhören ist ein aktives Element und lebt von der generativen Aufmerksamkeit aller Beteiligten.

  • Wir geben einander das Versprechen, nicht zu unterbrechen.

  • Wir halten unsere Redezeit ein.

  • Es sind Frage- und Problemstellungen, die uns leiten.

  • Je prägnanter die Fragestellungen sind, umso präziser (und umso spezifischer im Zweifel kompakter) werden unsere Beiträge sein.

  • Wenn Beiträge von Beteiligten ausufern, ist unsere Frage- oder Problemstellung noch nicht genügend ausgearbeitet. Dies ist die Aufgabe des „Meetings-Owners“ und der Moderation. Präzisieren Sie die Frage- und Problemstellung solange, bis Sie zum Kern vorgedrungen sind.

  • Dafür können Sie Meetings „aufsplitten“ und Break-out-Räume nutzen, um Fragestellungen, Ideenfindung etc. in kleineren Teams auszuarbeiten.

 

4. Vorbereitung von Abstimmungen
Bereiten Sie Abstimmungen gut vor. Trennen Sie zwischen Verständnisfragen und Einwänden, planen Sie dafür eine Zeit für alle Beteiligten ein und nutzen digitale Werkzeuge für die Abstimmung. Wir empfehlen dazu Nancy Kline „Time To Think“, eine Methode, die allen Beteiligten die gleiche Zeit für Wortbeiträge einräumt – und im Tisch/Kreisverfahren alle beteiligt. Auch wenn dies zunächst aufwändiger klingt, spart es in der Regel Zeit.

5. Vermeiden Sie Ablenkungen und Störungen – auch akustische.
Nutzen Sie den Chat gewissenhaft (Zoom und andere Programme haben die Funktion, zwischenzeitlich den Chat auch zu deaktivieren, um den Fokus und die Konzentration zu erhöhen).

6. Planen Sie bewusst intentionslose Zeiten für „Einchecken“, und informellen Austausch ein – und bestimmen Sie auch hierfür Moderation und „Time-Keeper“.
Unsere Erfahrungen: Lassen Sie alle einmal moderieren. Es gibt viele „Ice-Breaker“ für virtuelle Meetings, so kann jede:r sich beteiligen und einbringen.

7. Beenden Sie Termine mit „Anerkennung“.
Dies ist auch ein Element von „Time to Think“ und ist nicht als Oberflächlichkeit gemeint. Eine Anerkennung („Appreciation“) ist:

  • kurz

  • spezifisch

  • prägnant

und betont eine Qualität des anderen. Dies ist nicht mit einem Lob zu verwechseln und klingt einfacher, als es ist. Häufig kommen wir in einen „Redeschwall“, wenn wir anderen Personen wertschätzen möchten. Versuchen Sie es einmal mit einem Wort – einer konkreten Qualität, die Sie bei der anderen Person konkret im Bezug auf das Meeting geschätzt haben. Es kann ein Wort wie „Kreativität“, „Scharfsinnigkeit“, „Präzision“, „Urteilsvermögen“ oder auch zwei Wörter wie „analytische Fähigkeiten“ sein.

8. Planen Sie eine Abschlussrunde ein.
Gibt es noch „brennende Fragen“? Schließen Sie mit einer Wertschätzung ab. 

9. Überdenken Sie (insbesondere bei internen Meetings) den Zeitpunkt.
Liegt der Meeting Zeitpunkt in einer sehr produktiven „Deep-Work“ (Fokus-) Zeit, die alle für tiefgreifendes und wertschöpfendes Arbeiten nutzen könnten?

Interaktion mit E-Mails und Messenger

 
 

Wie können wir mit eingehenden E-Mails effizienter umgehen?

Schaffen Sie sich klare Zeitfenster für die Beantwortung ihrer Mails und halten Sie diese ein – denn, ein großer Teil unserer Zeit vergeht tatsächlich mit dem wiederholten Öffnen und Schließen von E-Mails, ohne jegliche Bearbeitung. Stattdessen ist es sinnvoller gleich zu entscheiden, ob die Mail direkt beantwortet werden soll oder in einen Ordner zur späteren Bearbeitung abgelegt werden soll.

  • Möchte ich die E-Mail gleich beantworten?

  • Kann ich sie löschen oder ablegen?

  • Kann ich antworten und den Verteilerkreis verringern?

  • Kann ich antworten und Einzelne aus dem Verteilerkreis ggf. nachgelagert informieren und so den Verteilerkreis verringern?

Weiterlesen
Motoki Tonn Motoki Tonn

Digitaler Flow – Teil 1

Den Ausdruck des sogenannten „Flows“ hört man in letzter Zeit immer öfter. Doch welchen Zustand beschreibt dieser Begriff genau? Begründer dieses Konstrukts ist Mihaly Robert Csikszentmihalyi, ein ungarisch-amerikanischer Psychologe. Er erkannte und benannte das psychologische Konzept des "Flow" als hochkonzentrierten, mentalen Zustand.


Den Ausdruck des sogenannten „Flows“ hört man in letzter Zeit immer öfter. Doch welchen Zustand beschreibt dieser Begriff genau?

Begründer dieses Konstrukts ist Mihaly Robert Csikszentmihalyi, ein ungarisch-amerikanischer Psychologe. Er erkannte und benannte das psychologische Konzept des "Flow", welches einen hochkonzentrierten mentalen Zustand beschreibt, der die Produktivität fördern soll. Oder auch den Zustand, wenn der menschliche Geist und Körper im positiven Sinne beansprucht wird. Später erforschte Csikszentmihalyi vor allem was Menschen Glück bereitet.

Flow ist der Zustand, in dem man sich befindet, wenn man voll und ganz in einer Tätigkeit aufgeht und nichts anderes mehr wichtig ist.

Mihaly Csikszentmihalyi entdeckte, dass Menschen in dem Bewusstseinszustand „Flow“ echte Befriedigung finden. In diesem Zustand sind sie vollständig in eine Aktivität vertieft, insbesondere in eine Aktivität, die ihre kreativen Fähigkeiten einbezieht. Dieser Flow kann beim Sport, bei der Arbeit an einem schwierigen Projekt oder bis zu einem gewissen Grad sogar bei einfacheren Tätigkeiten wie Lesen oder Gesprächen mit Freunden erreicht werden. Dies sind Momente, in denen Ihr Geist vollständig von der Aktivität absorbiert wird, so dass Sie „sich selbst vergessen“ und mühelos mit einem erhöhten Bewusstsein für das Hier und Jetzt zu handeln beginnen.

Die Hauptthese von Csikszentmihalyis populärstem Buch Flow: The Psychology of Optimal Experience (1990) ist, dass Glück kein feststehender Zustand ist, sondern entwickelt werden kann, wenn wir lernen, Flow zu erreichen. Der Schlüsselaspekt von Flow ist Kontrolle: Im Flow-ähnlichen Zustand üben wir Kontrolle über die Inhalte unseres Bewusstseins aus, anstatt uns passiv von äußeren Kräften bestimmen zu lassen. 

 

„Die besten Momente in unserem Leben sind nicht die passiven Zeiten. Die besten Momente treten in der Regel auf, wenn der Körper oder der Geist eines Menschen bis an seine Grenzen beansprucht wird, um freiwillig etwas Schwieriges und Lohnenswertes zu erreichen.“

– M. Csikszentmihalyi, 1990

 

Cziksentmihalyi definiert Flow als „ein Zustand, in dem Menschen so in eine Aktivität involviert sind, dass nichts anderes von Bedeutung zu sein scheint; Die Erfahrung macht so viel Spaß, dass die Leute es auch unter großen Kosten weiterhin tun werden, nur um es zu tun.“ (Cskikszentmihalyi, 1990)

Er identifiziert eine Reihe verschiedener Elemente, die an der Erzielung von Flow beteiligt sind:

  • Bei jedem Schritt gibt es klare Ziele.

  • Es gibt eine unmittelbare Rückmeldung auf die eigenen Handlungen.

  • Es besteht ein Gleichgewicht zwischen Herausforderungen und Fähigkeiten.

  • Aktion und Bewusstsein werden verschmolzen.

  • Ablenkungen werden vom Bewusstsein ausgeschlossen.

  • Es gibt keine Angst vor dem Scheitern.

  • Das Selbstbewusstsein verschwindet.

  • Das Zeitgefühl wird verzerrt.

  • Die Tätigkeit wird zum Selbstzweck.


Wie die oben genannten Eigenschaften zeigen, ist der Flow-ähnliche Zustand nicht primär durch subjektive Gefühle gekennzeichnet, auch nicht durch positive. Vielmehr besteht die Essenz des Flows darin, die Störung des denkenden Geistes zu beseitigen. Die Vertiefung in eine Aufgabe zeigt die Abwesenheit des Selbst und eine Verschmelzung Ihres Bewusstseins mit der Aktivität.

Heute steht der Ausdruck für einen modernen Trend von Menschen, die nach neuen Wegen in der Produktivität suchen. Wir wollen hier das Konzept nutzen, um Kriterien zu ermitteln, die uns zur Erreichung eines „digitalen Flow“ helfen können.

Die wesentlichen Elemente von Flow entstehen durch unsere Veränderung unseres Bewusstseinszustands. Wir alle haben Flow-Zustände schon erlebt. Wir haben dann das Gefühl, dass die Zeit wie im Flug vergeht, Aufgaben sich leicht anfühlen und wir die Welt um uns herum vergessen.


Flow und Konzentration

Um in den „Flow-Zustand“ zu kommen, braucht es etwas Zeit. Je nach Umgebung brauchen wir etwa fünf bis zehn Minuten, um uns auf eine Tätigkeit einzustellen und uns vollkommen auf sie zu konzentrieren. Dann erst können wir in einen „Flow-Zustand“ gelangen. Häufig werden wir bis dahin schon unterbrochen oder lenken uns selbst ab – wie etwa durch das Prüfen neuer Nachrichten. In diesen Momenten ist es wichtig, herauszufinden, warum wir dieses Verlangen haben. Es einfach zu unterdrücken, macht es in der Regel nur stärker. Ein sehr einfaches Hilfsmittel ist es tatsächlich, das eigene Verlangen nach Ablenkung für etwa 20 Minuten aufzuschieben (s. auch Pomodoro Technik). Häufig hat sich das Verlangen dann schon erledigt oder wir haben es bereits auf einen passenderen Zeitpunkt verschoben.

 
 

Für unser digitales Arbeits- und Privatleben in der heutigen Zeit ist es daher von Bedeutung, dass wir Störfaktoren eliminieren und uns zugleich bedeutungsvollen Aufgaben widmen, denen wir mit einer guten Balance von Herausforderung und Fähigkeit nachgehen.

 
 

Der nächste Blog-Artikel “Digitaler Flow – Teil 2” wird Digitale Resilienz und Flow im Team sowie in der Organisation beleuchten.

Weiterlesen
Motoki Tonn Motoki Tonn

Growth Mindset – der Glaube an Veränderung und Wachstum

Der Glaube an persönliche Veränderung und Wachstum ist entscheidend für unsere Resilienz. Doch wie hängt das mit einem Growth Mindset zusammen? Was beschreibt dieses genau? Und wie können wir unser Mindset nachhaltig verändern?


Der Glaube an persönliche Veränderung und Wachstum ist entscheidend für unsere Resilienz. Das belegen die Ergebnissen der ersten auf diesem Feld Forschenden, Emmy Werner und Ruth Smith.

Eine Herausforderung dabei ist unser eigener „innerer“ Kritiker, gepaart mit unserem „negativity bias“. Die Forscher Paul Rozin und Edward Royzman belegten, dass wir evolutionsbedingt darauf bedacht sind auf Gefahren und Risiken zu reagieren. Deshalb gewichten wir negative Ereignisse wesentlich höher als positive,
wir sind gewissermaßen darauf programmiert fortlaufend nach ihnen Ausschau zu halten und jedes Anzeichen auf seinen Risikogehalt zu prüfen. Natürlich hat dieses Verhalten Folgen: Kommt unerwartet eine schlechte Nachricht auf uns zu, neigen
wir schnell zu „Katastrophisierungen“.

 
 

Dabei können vermeintlich kleine Veränderungen der Perspektive einen großen Unterschied machen.

Denn versuchen wir eine konstruktive, spezifischere und reflektierte Perspektive einzunehmen, bemerken wir schnell, dass Herausforderungen oft nur temporär sind, nur einen Bereich unseres Lebens betreffen (eine Situation bei der Arbeit, einen Teil des Privatlebens) und nicht uns vollständig als Person, sondern nur einen Lebensausschnitt, eine Aktion, eine Tätigkeit, einen Prozess, an dem wir mitwirken.


Growth Mindset / Fixed Mindset

So verhält es sich auch mit unseren persönlichen Haltungen („Mindsets“). Carol Dweck hat diesbezüglich jahrelang in der Bildungs- und Arbeitswelt geforscht. Sie unterscheidet dabei das „Growth Mindset“ vom „Fixed Mindset“. Der wesentliche Unterschied ist hierbei der Glaube an Veränderung.

In den USA kamen viele Vorfälle, Skandale und Untersuchungen ans Licht, die zeigten, dass Talent und Können nicht ausreichen. Daraus entwickelte der Soziologe Benjamin Barber die These, dass es nicht um Intelligenz und Fertigkeiten allein geht, sondern um die Frage, ob jemand sich als Lernende:n begreift oder nicht. Das wäre der entscheidende „Mindset“ Unterschied.

Carol Dweck entwickelte in ihrer Mindset Forschung Prinzipien, die ein Growth Mindset ausmachen:

  • Mindsets sind Glaubenssätze.

  • Diese Glaubenssätze haben wir durch jahrelange Prägungen als feste Wahrheiten über uns verinnerlicht.

  • Ein „Growth Mindset“ zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass wir Rückschläge als Chancen für Lernen und Weiterentwicklung sehen können.

  • Das entscheidende Element für Carol Dweck ist dabei: Resilienz.

Dabei ist ein „Growth Mindset“ nicht mit Optimismus zu verwechseln. In der Tat kann ein zu großer Optimismus (Positivismus, alles in einem guten Licht zu sehen) sogar Lernen verhindern.


Unterscheidung

Ungesunder Optimismus:

  • Blendet das Potenzial von Rückschlägen aus

  • Unterdrückt oder kaschiert Rückschläge

  • Verhindert Lernerfahrungen

Growth Mindset:

  • Geht von Rückschlägen aus

  • Hält Rückschläge für Wachstumspotenziale

  • Wachstums- und Lernorientiert



Dabei geht es hierbei um eine gesunde Balance, sodass wir mit einer konstruktiven Haltung das beständige Weiterlernen ermöglichen. Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass wir alle Teile von „Growth Mindset“ und „Fixed Mindset“ in uns haben. Jedoch verfügt jeder von uns über verschiedene Bereiche: Solche in denen wir uns als Lernende sehen und solche in denen wir Wachstum für nicht realistisch halten. Dahinter können viele limitierende (und häufig unwahre) Annahmen und Glaubenssätze liegen, wie:

„Dafür ist es zu spät, andere haben das viel früher gelernt.”

„Niemand braucht das.”

„Andere können das. Ich nicht.“


Ein großes Hindernis stellt dabei unser Bedürfnis uns zu vergleichen dar. Gerade in Zeiten von Social Media wird dieser Drang immer mehr verstärkt. Dabei sehen wir auch hier immer nur einen inszenierten Ausschnitt der Realität. Selbst bei authentischen „Erfolgsgeschichten“ fokussieren wir uns in der Regel nur auf das (Erfolgs-)Ergebnis – und nicht auf den Prozess, den Weg dorthin.

Wir sehen nicht die stillen Stunden von Zweifel, das Hinterfragen, den Verzicht, das in Kauf nehmen von Rückschlägen – wir sehen nur das äußere Erscheinungsbild. Dieses äußere Bild vergleichen wir dann mit unserem Leben – und sehen einen großen Abstand.

Genau diese zu kurz geratenen Vergleiche können unsere Resilienz erheblich beeinträchtigen und ein „Growth Mindset“ langfristig verhindern.

Nichts spricht gegen inspirierende Medien, die uns herausfordern, etwas Neues auszuprobieren. Doch wenn sie uns daran hindern, kann es uns helfen, mit der Haltung des „kleinen Anfangs“ zu starten (Ikigai-Haltung): Es geht nicht darum, den ersten Platz zu belegen, sondern primär darum, etwas Neues zu lernen. Wir müssen es nicht gleich der ganzen Welt mitteilen. Wir können es für uns tun – und es wie ein Geheimnis, für uns bewahren.

 
 

Das „Growth Mindset“ als Lebenshaltung

Welchen Einfluss ein Growth Mindset auf uns und unser Leben haben kann, wenn wir es in unsere generelle Lebenshaltung implementieren, zeigt uns Viktor Frankl.

 

Von Viktor Frankl können wir lernen:
Eine konstruktive Haltung gegenüber der Zukunft ist eine Lebensnotwendigkeit.

Weiterlesen
Motoki Tonn Motoki Tonn

Ein Einstieg in das Thema Resilienz

Die Resilienzforschung fand ihren Ursprung auf der Insel Kaua’i, Hawai’i. Dort veröffentlichten die Forscherinnen Emmy Werner und Ruth Smith 1977 ihre 30-jährige Studie über die Entwicklung Jugendlicher in schwierigen Lebensumständen. Es stellte sich heraus, dass trotz erheblicher sozialer Beeinträchtigungen sich einige Jugendliche aus psychologischer und medizinischer Sicht besser als andere entwickelten. Warum waren einige Kinder widerstandsfähiger als andere?


Ursprung, Herkunft, Definition

Resilienz ist ein großes Thema, welches immer mehr an Präsenz gewinnt. Unternehmen stellen sich aktuell die Frage wie sie in eine endemische Normalität zurückkehren. Dabei sind die Fragen größer als die nach dem Anteil des Homeoffice. Das Homeoffice wird bleiben. Die Arbeit vor Ort jedoch auch. Es wird sich in Zukunft also um ein vermehrt hybrides Arbeitsmodell handeln. Diese Form der Arbeit braucht neue Skills und ist anstrengend. Digitale Tools kommen dazu, wir müssen an zwei unterschiedlichen Orten arbeiten, diese managen und miteinander vereinen. Neue Arbeitsformen und -modelle entstehen, unser Arbeitsplatz verändert sich. Infolgedessen wird unsere Resilienz verstärkt angefragt.


Ursprung der Resilienzforschung

Die Resilienzforschung fand ihren Ursprung auf der Insel Kaua’i, Hawai’i. Dort veröffentlichten die Forscherinnen Emmy Werner und Ruth Smith 1977 ihre 30-jährige Studie über die Entwicklung Jugendlicher in schwierigen Lebensumständen. Es stellte sich heraus, dass trotz erheblicher sozialer Beeinträchtigungen sich einige Jugendliche aus psychologischer und medizinischer Sicht besser als andere entwickelten. Die Forscherinnen interessierten die Ursachen dieser Beobachtung.


Warum waren einige Kinder widerstandsfähiger als andere?

Werner und Smith zufolge agieren resiliente Kinder eigenständig und verfügen über eine hohe Problemlösungskompetenz. Wesentliche Faktoren hierfür sind:

  • eine große Verbundenheit zu Vertrauenspersonen

  • ein religiöses Bewusstsein, das dem Leben Sinn und Bedeutung verleiht

  • eine optimistische Sichtweise

  • die Fähigkeit, sich selbst wieder aufzurichten


Sie kamen dabei zu dem Schluss: „Wenn wir diese Kompetenzen so gut wie möglich fördern und pflegen, haben wir ein grundlegendes Überlebenspaket, um jeglichen Widrigkeiten zu begegnen, die den menschlichen Geist belasten können.“

Damit war die Resilienzforschung geboren.


Kann psychische Widerstandkraft auch erblich bedingt sein?

Viele Wissenschaftler verneinen diese Aussage und geben an, dass sich diese erst im Verlauf des Lebens entwickelt. Jedoch entsteht sie durch ein komplexes Zusammenspiel vieler Faktoren, darunter auch einige, die angeboren sind. Mitbegründer des Deutschen Resilienz-Zentrums, Neurowissenschaftler Raffael Kalisch, nennt folgende erforderliche Eigenschaften:

  1. Intelligenz

  2. Optimismus

  3. Extraversion

Resilienz heute

Heute spielt der Begriff Resilienz besonders hinsichtlich der Bereiche der Anpassungsfähigkeit, Adaptabilität sowie im Rahmen digitaler Kompetenzen und großer Veränderungen eine zentrale Rolle. Daher ist Resilienz nicht nur im beruflichen, sondern auch im privaten Umfeld gefragt. Jedoch nimmt die Thematik aufgrund der sich im Wandel befindenden Arbeitswelt immer mehr Raum ein.

Dabei hat der Begriff einen lateinischen Ursprung: resilire = zurückspringen. In der Psychologie steht Resilienz heute im übertragenen Sinne für „Spannkraft“ „Elastizität“ – aber vor allem für „Widerstandsfähigkeit“.

Eine Definition

Resilienz bezeichnet die Fähigkeit, selbst in schwierigen Lebenskrisen und nach schweren Schicksalsschlägen in der Lage zu bleiben, eigenständig, selbst bestimmt und angemessen auf die privaten oder beruflichen Herausforderungen zu reagieren.

In einem Artikel der Zeitung „Psychologie Heute“ beschreibt Autorin Manuela Lenzen Resilienz so: „Resilienz bezeichnete ursprünglich die Fähigkeit, Extremsituationen durchzustehen, ohne Schaden an der Seele zu nehmen. Inzwischen ist Resilienz zu einem Modewort geworden. Resilient ist, wer es ohne Burnout durch den Alltag schafft“. Experte Raffael Kalisch sagt dazu, dass sich Resilienz durchaus erlernen lässt. Dabei macht er jedoch klar, dass es sich hierbei um einen langfristigen Prozess handelt, auf den es sich einzulassen gilt.


Stressfaktoren heute

Feststeht, dass die Belastung in den letzten Jahren durch eine Vielzahl von Stressoren stark zugenommen hat. In Summe kommen alle Studien – obgleich mit einem weltweiten Blick oder mit einem Fokus auf die Arbeitssituation in Deutschland – zu ähnlichen Ergebnissen:

Treiber für die vermehrte Belastung sind (bis zu 22 %) digitale Werkzeuge sowie die oft (räumliche) Verbindung von Privat- und Berufsleben. Hinzu kommt die sogenannte „Arbeit um die Arbeit“. Hierzu zählen Tätigkeiten, die erledigt werden müssen, um sich den eigentlichen Aufgaben zu widmen.


Die Fragen, die sich hieraus für uns stellen, sind:

  • Wie können wir einen gesunden Umgang mit diesen Belastungen erreichen?

  • Wie können wir bei dieser fortschreitenden Belastung resilient bleiben, um angemessen mit anderen zu interagieren und zusammen zu arbeiten?

 
 

Um angemessen reagieren zu können, müssen wir jedoch zunächst Rahmenbedingungen schaffen. Zu diesen zählen:

  • Ausgeglichenheit

  • Ausreichender Schlaf

  • Ausreichende Versorgung, Essen und Trinken

  • Andere Menschen

  • Zeit


Dabei sind Reaktionen immer Entscheidungen. Viktor Frankl würde in diesem Zusammenhang sagen:

„Das Leben fragt uns nach Antworten.“

Auf welche Herausforderungen wir auch immer treffen: Es liegt an uns, wie wir auf sie reagieren und wie wir sie interpretieren. Dies ist ein interner Vorgang, wir haben immer die Wahl wie wir Ereignisse für uns deuten – mit einer positiven oder negativen Einstellung.

Dabei ist es jedoch essenziell, dass wir uns genügend Zeit einräumen, um angemessen reagieren und die richtigen Entscheidungen treffen zu können. Blockieren Sie sich daher wöchentlich Zeiten, in denen Sie über anstehende Herausforderungen reflektieren. Schon dies ist ein erster Schritt in Richtung mehr Resilienz, da Sie sich mit dieser Vorgehensweise selbst die Möglichkeit geben angemessen auf Situationen zu reagieren.

Ausreichend Zeit für Selbstreflexion ist sowohl für uns Individuen als auch im Kollektiv essenziell. Es ist Teil der Selbstführung und zugleich die Ausgangsbasis, mit welcher Intention und Qualität der Selbstwahrnehmung wir in soziale Interaktionen gehen. Je klarer unser Bild von uns, umso größer die Möglichkeit, dass wir sinnvoll und wirksam mit anderen umgehen.

Weiterlesen